
Le Modèle
Das Modell
Kubus 0, 1. OG, Hector-Bau
Ungeschönt und distanziert zeigt uns Félix Vallotton ein weibliches Modell, wobei er jegliches mythologisches oder historisches Dekor vermeidet. Die Frau ist fest in der Gegenwart des zeitgenössischen Betrachters verankert und seinen Blicken preisgegeben. Während sie ihre Frisur richtet, ist ihr Mund halb geöffnet und das Kleid bis zur Hüfte gerutscht. Der 1865 in Lausanne geborene Maler, der die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich verbrachte, stellt hier keine Idealgestalt dar, sondern mit nachdrücklichem Realismus die Makel seines Modells aus: die zusammengewachsenen Brauen, das leichte Schielen, die unklassischen Körperproportionen. In ihrer Direktheit entsprechen seine Akte nicht der damaligen akademischen Lehrmeinung. Vallotton, der in den 1890er Jahren mit seinen Holzschnitten Berühmtheit erlangte und der Künstlervereinigung Nabis nahestand, betont das Reale gewöhnlicher Körper. Seine nach 1900 entstandenen Aktdarstellungen weisen in ihrer Kühle bereits auf die Neue Sachlichkeit und die zeitgleiche italienische Strömung der Pittura Metafisica der 1910er und 1920er Jahre voraus.