
Ohne Titel
Ohne Titel
Schaudepot, 2. OG, Hector-Bau
Wolfgang Kessler widmet sich seit Jahren konsequent der realistischen Malerei. In seinen Bildern trifft die vermeintliche Objektivität der Fotografie im Differenz-Vergleich auf die Subjektivität der Malerei. Das Wahrheitspostulat der omnipräsenten Fotografie, welchem bis heute bereitwillig stattgegeben wird, stellt der Künstler mit seinem Fotorealismus gekonnt in Frage. Was wir sehen, ist ein gemaltes Bild. Es ist kein Spiegel der Wirklichkeit, sondern ein aus vielen Entscheidungen und Arbeitsschritten hervorgegangenes Kunstwerk.
Bewusst verzichtet Kessler auf bunte Farbigkeit, inszeniert eine Frau und einen Stuhl an den linken Bildrand gedrängt vor reduziert dunklem Grund. Mehr ist auf dem 1990 entstandenen Gemälde »Ohne Titel« nicht zu sehen, doch strahlt das Bild eine Stimmung aus, die zu Interpretationen und Geschichten anregt. Es repräsentiert beispielhaft die frühen künstlerischen Arbeiten von Wolfgang Kessler. Meist ist auf diesen eine Frau als Ganzkörperporträt zu sehen. Die Blicke sind andächtig verträumt bis stoisch oder gehen schlicht ins Leere, so als warte die Person das Modellstehen geduldig ab. Als Beigabe erhalten diese Frauen Objekte wie Gartenschläuche oder Abflussrohre, die ein Eigenleben zu führen scheinen oder zumindest – wie der leere Stuhl – nicht im eigentlichen Sinne genutzt werden.
Die vorgeführte Dingwelt erinnert an Erlebtes, Benutztes, bereits Dagewesenes und kann allegorisch gelesen werden. Anders als in der traditionellen Malerei folgen diese Objekte weder formalen Vorschriften noch haben sie fixierte Bedeutungen inne, sondern sie werden aus ihrem ursprünglichen Umfeld extrahiert und wechseln damit ihren inhaltlichen Auftrag. Der schwarze Grund bietet die Bühne für die Vorstellungen der Betrachtenden, welchen die Deutungshoheit überlassen wird. Schwarz ist „Denkfarbe“ und fungiert bei Kessler immer aufs Neue als Farbe des Nichts und des Alles.