
Adolescent à genoux, I.
Kniender Jüngling I
Galerie 2, 1. OG, Jugendstil-Bau
George Minnes »Kniender Jüngling I« gehört zu einer Serie von Knabengestalten, die der Belgier in den 1890er Jahren beginnt. Gemeinsam ist den Figuren ihre Haltung, eine ausdrucksstarke Verinnerlichung und die sehr schlanke und dennoch geschlossene Gestalt. Mit beiden Armen umfassen sie ihren Oberkörper und neigen den Kopf leicht seitlich. Die Überlängung der Proportionen wurde von manchem Zeitgenossen als »gotisch« wahrgenommen und häufig dem Jugendstil zugerechnet.
Minne löst sich hier von natürlichen Körpermaßen, ohne aber die Abstraktion zu wählen. Die Deutung seiner Figuren, die ohne jede raumgreifende Gestik auskommen, bleibt allerdings offen. Sind sie selbstbezogen oder melancholisch? Sehen wir gar Narziss aus der griechischen Mythologie? Oder haben wir ein Symbol für das nur schwer deutbare Innenleben des Menschen vor Augen? Minnes Kunst wird in Anlehnung an die gleichlautende Ausstellung der Kunsthalle Mannheim im Jahr 1912 auch als »Ausdrucksplastik« bezeichnet. Ihr Einfluss auf Künstler wie etwa Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) war so groß, dass sie bis heute zu den bedeutendsten Bildhauerleistungen auf dem Weg zur Moderne zählt.