
Miracolo
Wunder
Kaum ein Thema ist im Werk von Marino Marini so stark vertreten wie das von Pferd und Reiter. Mit ihm setzt sich der italienische Bildhauer einerseits mit der Geschichte des Reiterstandbilds auseinander und verarbeitet andererseits seit den 1950er Jahren existenzielle Fragen.
Die ungezähmte, animalische Kraft des Pferdes findet in der Zähmung durch den Menschen – seinen Reiter – ihren Ausdruck. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelt Marini dieses Symbol von Herrschaft und Kontrolle allerdings bedeutsam um. Jetzt stürzen Reiter und Tier und vermitteln einen tragischen Eindruck. Sie wirken bedroht, den Verhältnissen ausgeliefert.
In »Miracolo« ist dieser Sturz offensichtlich. Marini arbeitet mit einer extremen Spannung zwischen dem vertikal aufgerichteten Körper des Pferdes und dem rückwärts in die Horizontale gestürzten menschlichen Leib. Die Oberfläche der Bronze ist unruhig gestaltet, die Formen stark vereinfacht. Der Titel dieser Arbeit bringt allerdings auch eine religiöse Interpretation ins Spiel. Denn erst durch sein scheuendes Pferd und seinen Sturz wandelte sich der Christenverfolger Saulus zum Apostel Paulus.